Übung für aufrechte Körperhaltung
Hallo zusammen,
da ich seit einigen Jahren nur noch unregelmäßig zu BWE komme und statt dessen am Schreibtisch rumhänge, leidet meine Körperhaltung ein wenig (Oberkörper krumm, Schultern nach vorne).
Deswegen meine Frage, welche Übung (maximal zwei) würdet ihr empfehlen?
Da das ja eher der Bereich Physiotherapie statt BB ist, bin ich mir nicht sicher ob dann Isos oder GÜ besser geeignet sind.
Danke Christian
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Durch's zusammengekauerte Sitzen gibt es normalerweise immer folgende Probleme:
- Bauch- und Gesäßmuskeln werden inaktiver, und insbesondere die durch's angewinkelte Bein chronisch verkürzten Hüftbeuger werden zu aktiv. Folge: vorgekipptes Becken a.k.a. Hohlkreuz (zu große Lordosis, vgl. das Skelettfoto im Anhang).
- Durch die im Vergleich zu den Antagonisten zu wenig aktiv Gesäßmuskulatur wandern auch die Knie nach innen (X-Beine), zum Ausgleich die Füße nach außen (Tendenz zum Knick-Senk- bzw. Plattfuß) und es kommt zu einer zu großen Außenrotation der Beine.
- Im Oberkörper bewirkt das vorgekippte Becken als Kompensation eine mehr oder weniger starke Buckelhaltung (zu große Kyphosis). Die wiederum muss durch ein gewisses In-den-Nacken-und-nach-vorn-legen des Kopfes ausgeglichen werden. (diesmal wieder zu große Lordosis -> verspannter Nacken -> Triggerpunkte -> Kopfschmerzen/Migräne sowie gerne auch trockener Mund durch verkürzte Halsmuskulatur usw.)
- Verstärkt wird diese Schulterproblematik noch durch die Sitzhaltung selbst: vorgebeugt und gekrümmt (zum PC/Buch/Blatt). Dadurch gibt es dann auch nicht nur Fehlstellungen in den Wirbelsäule, sondern auch die Schultern wandern nach vorn (verkürzte Pecs, bestimmte Teile der oberen Rückenmuskulatur zu schwach (Schulterblätter wandern nach außen), dazu eine Innenrotation der Arme.
All das wird natürlich noch verstärkt, wann man zuviel Kniebeugen im Vergleich zu Kreuzheben machst (Knie- vs. Hüft-dominant), oder zuviel Bankdrücken (horizontaler Push) im Vergleich zu Rudern (horizontaler Pull) usw.
Therapie ist in diesem Normalfall folgende: Quads, Hüftbeuger, Lat** und Brust und bestimmte Anteile des Beinbizeps nur auf Erhalt trainieren und dehnen dehnen dehnen. Die jeweiligen Antagonisten dagegen kräftigen, und zwar vor allem im Bereich Kraftausdauer/muskuläre Kontrolle/Stabilität, aber auch bei höheren Widerständen. Solltest du speziellere Probleme haben ist natürlich eine exaktere Diagnose nötig.
[Zu **: Ja, ganz recht. Lat! Klimmzüge sind bei mehr oder weniger stark vorgewanderten Schultern eine schlechte Idee, da sich die Aufgaben von Lat und Pecs überschneiden (Adduktion). Ich hoffe es empfiehlt nun niemand mehr Dummfug wie "Mach einfach WKM, dann wird alles gut" ... Wenn man alles gleichzeitig kräftig ändert sich an den Ungleichgewichten überhaupt nix! Stattdessen provoziert man nur früher oder später Verletzungen, weil der Bewegungsapparat fehlerhaft arbeitet (gerne: Knie-, Schulter- oder Rückenschmerzen). Hinzu kommt noch, dass man sein körperliches Potenzial nicht voll ausschöpfen kann, gerade bei den sogenannten "Grundübungen". Warum? Weil die Bewegungsabläufe nicht optimal funktionieren, und der Körper Ausgleichbewegungen machen muss.]
Vier Tipps:
1. Ein Buch (auf deutsch).
http://www.amazon.de/Schmerzfrei-fit.../dp/3935254148
Behandelt Triggerpunkte, Massage, Asymetrien, Dysbalancen, den Zusammenhang zwischen überaktiven und überdehnten Muskeln usw. Dabei gibt es erst 40-50 Seiten Grundlagenwissen (bunt, viele Bilder), dann eine einfache Diagnoseanleitung mittels Spiegel oder Foto, und zuletzt einen Übungskatalog. Dieser Übungskatalog kommt ohne Ausrüstung aus (isometrische Körpergewichtsübungen), aber die einzelnen Bewegungen lassen sich bei Bedarf leicht auch in Varianten mit KH, Kabelzügen oder Trainingsbändern umwandeln - wobei das aber eigentlich garnicht nötig ist. Nicht erwähnt wird die kostengünstige Selbstmassage mit Foam Roller, Tennisball o.ä. - dazu findest du aber im Internet genug. Allerdings solltest du dir zusätzlich zu diesem Buch hier ein (dünnes) Anatomie-Grundbuch besorgen, da man sonst in den Tabellen nicht so gut nachvollziehen kann, warum Symptom X nun Muskeln Y und Z betrifft. Wenn man diesen Aufwand allerdings betreibt kann man wunderbar seinen eigenen Trainingsplan anpassen, weiß, welche Übungen/Bewegungen genau was bewirken usw. Ich hänge mal einen Scan des Inhaltsverzeichnisses an. Das ist also die Lern-Variante.
Wenn dir das zu aufwendig ist, hier nun zwei Anleitungen nach dem Motto: Lies zwei Seiten, mach, fertig:
2. Eine vierteilige Serie (Englisch) über die Haltungsprobleme, die ich oben schon kurz angerissen habe. Zur Therapie bzw. Prävention gibt es dann einige einfache Übungen, die man 15min lang beim Aufwärmen, oder nach dem Haupttraining oder auch an den Zwischentagen durchführen kann.
http://www.protraineronline.com/past...003/muscle.cfm
http://www.protraineronline.com/past...03/balance.cfm
http://www.protraineronline.com/past...pr03/howto.cfm
http://www.protraineronline.com/past...ay03/howto.cfm
3. Ähnlich wie der vorherige Punkt, auch auf Englisch. Ein Teil über Schulterfehlhaltungen, der zweite über Hüfte/untere Wirbelsäule. Hierbei wird dir ein ganzer Trainingsplan präsentiert, also nicht nur zusätzliche Übungen zu deinem Hauptplan. Konkret heißt dass: Je nach schwere der Symptome werden Brust / Lat / Knie-dominate Übungen entweder einen Monat lang garnicht trainiert, oder im Verhältnis 1:3 zu den jeweiligen Antagonisten. Dazu Dehnübungen und Extra-Übungen für Außenrotation der Arme. Schwerpunkt auf Mehrgelenksübungen, mit Eingelenksübungen bzw. Isolationsübungen, wo es nötig ist.
http://www.mindandmuscle.net/article...ulder?page=all
http://www.mindandmuscle.net/article..._tilt?page=all
4. Kauf die ein Ballkissen! Das ist ein luftgefülltes Gummikissen, dass sich beim Sitzen wie einer dieser großen Sitzbälle anfühlt (und entsprechend dann Gesäß-/Hüft- und Rumpfmuskulatur aktiviert). Man legt es aber einfach auf einen Stuhl und spart sich so Platz und Transport eines großen Balles:
http://www.google.de/products?hl=de&...num=1&ct=title
PS:
Zitat:
Da das ja eher der Bereich Physiotherapie statt BB ist, [...]
Ja, DAS ist leider die große Fehleinschätzung im Trainingsbereich, oder besser gesagt in den Webforen zu BB/Kampfsport/Powerlifting. Diskutiert wird meist nur über möglichst effektiven Kraft- oder Muskelaufbau. Leider wird aber die Prävention bzw. am Anfang der Trainingskarriere überhaupt erstmal die Diagnose und Korrektur bestehender Dysbalancen/Fehlhaltungen, Stabilitäts-, Kontroll- und Beweglichkeitsprobleme oft völlig ignoriert. Dann kommen immer nur dumme Tipps, wie schon weiter oben angesprochen: "Mach WKM und alles wird gut" oder "Huhu, welcher dumme Antisportler-Trainer empfiehlt seinem Studio-Neuling denn erstmal 2 Monate unilaterale Mehrgelenksübungen und Isolationsübungen mit 15-20 WH - so ein Depp. mach WKM!!". Da freut sich dann in 5, 10 oder 20 Jahren der Krankengymnast oder gleich der Orthopäde mit dem Messer. Und der Schmerzmittel-Hersteller natürlich. :auslach: :))