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"Eine Heidi Krieger ist mir heute fremd", sagt Andreas Krieger
Doping im DDR-Sport - ein Thema, das seit dem Fall Katrin Krabbe für Schlagzeilen gesorgt hat. Als Zeuge bei den Prozessen gegen Sportärzte und Trainer besonders hervorgetan hat sich Andreas Krieger, der damals als Heidi Krieger eine erfolgreiche Kugelstoßerin gewesen ist. Jahrelang hat das junge Mädchen Anabolika bekommen und ist mehr und mehr vermännlicht. Die Dopingmittel hätten zwar seine Transsexualität nicht verursacht, aber doch verstärkt, meint Krieger heute.
Von Nils-Peter Wulff
Andreas Krieger ist früher Heidi Krieger gewesen. Heidi Krieger kommt 1979 als 13jährige durch einen Freund zur Leichtathletik. Das Mädchen fällt auf. Beim Völkerball muß sie mit der linken Hand werfen, da ihre rechten Würfe wie Kanonenschüsse kommen. Folgerichtig landet das Talent bei den Werfern. 1981 schafft sie im Kugelstoßen eine Weite von 14 Metern. 1982 sind es über 16 Meter, 1984 etwa 20 Meter, 1986 über 21 Meter.
Aus Akten ist der Grund für die Steigerung bekannt: 885 Milligramm männliche Hormone, die im Präparat Oral-Turinabol stecken, schluckt sie 1982, ein Jahr später sind es 1820 Milligramm, 1984 sogar 2590 Milligramm. Die Grenze von 1000 Milligramm Anabolika im Jahr dürfe "in keinem Anwendungsfall überschritten werden", steht in einer internen Studie des Leipziger Wissenschaftlers Lothar Hinz, der sich nicht nur über Kriegers Dosis wundert, sondern auch über das junge Alter von "Sportler Nr. 54" in der Dopingversuchsreihe.
Davon weiß Krieger nichts. Man habe ihr gesagt, daß sie mit den Mitteln das tägliche Training besser verkraften würde. Und die Schinderei im Kraftraum. Sie schluckt die Pillen, die man ihr in einer Alufolie reicht. "Ich ahnte, daß die Mittel nicht sauber waren", sagt Krieger, aber er habe nicht weiter darüber nachgedacht.
Tatsächlich fallen Heidi mit den Tabletten die Übungen leichter. Daß die Muskulatur explosionsartig zunimmt, die Stimme tiefer wird und die Haare bis zum Bauchnabel sprießen, irritiert sie nicht. Sie stemmt Gewichte, die jeden Fitness-Sportler erblassen lassen. Bis die Hände bluten. Und ist stolz darauf. Krieger zitiert aus Trainingsbüchern: Bankdrücken 110 Kilogramm, Kniebeugen 150, Halbkniebeugen 260 Kilogramm. Als 21jährige liegt ihr Wochenpensum bei 180 Tonnen!
Bei den Europameisterschaften 1986 in Stuttgart wird sie mit 21,10 Metern Erste, zum Erfolg gedopt, um für den abwesenden DDR-Star Ilona Slupianek im Land des Klassenfeindes zu siegen.
Dann stagnieren die Leistungen. Als sie 1987 EM-Vierte wird, wird sie behandelt, "als hätte ich einen Ausreiseantrag gestellt", erinnert sich Krieger. Zu diesem Zeitpunkt verstärken sich die gesundheitlichen Probleme. Rücken- und Muskelschmerzen, mitunter so stark, daß sie sich beim Treppensteigen am Geländer hochziehen muß, werden zum ständigen Begleiter.
Mit den körperlichen Störungen wachsen die seelischen Probleme. Schon länger fühlt sich Krieger in ihrem Körper unwohl. Röcke sind ihr ein Graus, das Verhalten gleichaltriger Mädchen fremd. Das Wort Transsexualität kennt sie noch nicht. Um Aufmerksamkeit zu erzielen, tritt sie im Internat aggressiv auf. Sie zerkratzt sich die Hände, um Mitleid zu erregen. Reaktion der Betreuer: Sie darf fortan zu Hause schlafen.
Quelle: Ärzte Zeitung Online