Zitat:
Im Einklang mit der Evolutionstheorie sind die grundlegenden Funktionen eines Lebewesen der Erhalt und die Weitergabe der Gene. Alles Weitere ist eine Art biologischer Überbau, der durch ein kompliziertes sich im Laufe der Zeit entwickelndes Belohnungs- und Bestrafungssystem den Blick auf das biologisch Unwesentliche lenkt und somit das Leben für das Individuum lebenswert erscheinen lässt. Süßigkeiten z.B., obwohl sie dem Körper mehr schaden als nutzen, werden von dem Körper, der im Vegleich zur schnellen Entwicklung der menschlichen Umwelt noch fast der Gleiche wie zu einer Zeit ist, in der süß schmeckende Dinge seltener waren und neben schnell verfügbarer Energie in Form von kurzkettigen Kohlenhydraten auch lebenswichtige Vitamine und ähnliche gesunde Inhaltsstoffe enthielten, begehrlich aufgenommen.
Die Vitamine waren damals etwas, was den Konsumenten fitter und somit resistenter gegenüber der natürlichen Auslese machte. Die Gene derjenigen, die das Süße zu schätzen wussten, wurden effektiver und öfter weitergegeben. Heutzutage sind Süßigkeiten alles andere als gesund und größtenteils sogar schädlich. Dennoch nutzen Lebensmittelhersteller diese phylogenetisch entwickelte Vorliebe auch heute noch schamlos aus. Obwohl die Menschen aufgeklärt sind, sind sie in gewissem Sinne Marionetten ihres körperinternen Hormonsystems.
Ebenso verhält es sich mit dem Coitus. Dieser wird ebenfalls zumeist nur ausgeführt, weil beim Höhepunkt vermehrt Glückshormone ausgeschüttet werden. Die kurz darauf folgende zeitweilige Lustlosigkeit zeigt unsere theoretisch vom Belohnungs- und Bestrafungssystem unabhängigere Einstellung. Dieser Überbau und das Regiment von Zuckerbrot und Peitsche unseres Körpers über unser Ich zeigt sich bei fast allen Dingen des Lebens, je mehr man eben dieses schleifen lässt. Theoretisch ist es eine Art Schutzfunktion des Körpers, der mit Abnahme der bewussten Steuerung als eine Art Notprogramm für Lebenserhalt, Nahrungsaufnahme, Energieerhalt sowie Fortpflanzung sorgt und somit alle lebensnotwendigen Körperfunktionen aufrecht erhält.
Mit der bewussten Wahl der Worte „Abnahme der bewussten Steuerung“ möchte ich darauf hinweisen, dass ich der Ansicht bin, dass der Mensch bewusst beinflussen kann, inwieweit er sein leben lenken kann oder lenken lassen möchte. Einerseits gibt es den selbstbestimmten Menschen und den bestimmten Menschen. Alle Menschen existieren bzw. vegetieren zwischen diesen beiden Positionen und sind durch die Entität ihres Bewusstseins in der Lage, zu beeinflussen, inwiefern sie sich dem materiellen oder dem immateriellen Leben widmen möchten. Unser biologischer und materieller Körper belohnt uns durch sein Hormonsystem dazu, die Zügel schleifen und unser Geschick den determinierenden in den materiellen Genen enthaltenen Trieben zu überlassen. Die bewusste Entwicklung hin zur Selbstbestimmtheit ist ein langer harter Weg in Konfrontation mit den Widerständen des Körpers, die mit zunehmender Gewöhnung immer stärker werden.6 Schließlich abstrahiert dieser Weg zunehmend vom biologischen und somit materiellen Leben. Diesen Widerständen in Richtung der erhabenen Transzendenz und Freiheit entgegenzutreten und der materiellen Welt mit ihren Determiniertheiten und Unfreiheiten den Rücken zu kehren, vermag nur animam, das Bewusste, der Geist, die Seele. Umso weiter ein Individuum auf diesem Pfad fortgeschritten ist, desto unabhängiger und somit ethisch vorbildhafter ist eben dieser. Das Materielle hingegen, das wir in unserem Leben mit uns schleppen, ist der Ballast, der uns daran hindert, unser phlegmatisches Dasein loszulassen. Der Mensch klammert sich an irrelevante Dinge, die Millionen Fabriken tagtäglich über den Erdball speien und die Werbung schafft in uns Bedürfnis nach diesen Dingen, das ohne jene nicht vorhanden wäre. Dieser Zustand der Gesellschaft ist das moderne Pendant zu der selbstverschuldeten Unmüdigkeit und ebenso stark zu verdammen. Jedoch leidet der Mensch nicht am Materialismus, sondern an sich selbst. Die Befreiung von den Zwängen materiellen Ursprungs ist ein aktiver Prozess. Doch warum solle man ein scheinbar glückliches und weniger anstrengendes Leben aufgeben? Dies ist eine Frage der Stärke des Willens, die im Disput zu der des Körpers steht.
„Nichts wächst Erfreulicheres auf Erden, als ein hoher starker Wille...“
(Friedrich N. Zara...)
Es ist der Unterschied zwischen leben oder gelebt werden, sein oder nicht sein. Bekanntlich vermag der „...Kampf gegen Gipfel ein Menschenherz auszufüllen.“ (Albert Camus.syssypussy.?,?)
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6Jeder der einen Entzug (mit)erlebt hat, weiß wie anstrengend und zermürbend dieser
Kampf sein kann.