Zitat von Prof. Dr. med. Aloys Berg und Daniel König
Ausschlaggebend für die Effekte und Wirksamkeit von Sport bei Übergewicht ist nicht die körperliche Fitness per se oder das Ausmaß der aeroben Kapazität, sondern die mitochondriale Oxidation von Fettsäuren während des Zeitraums der körperlichen Belastung (6). Interventionsprogramme zur Verbesserung des Körpergewichts und der Körperkomposition bei Übergewicht sollten analog zum Einsatz von Mehraktivität zur Verbesserung des Lipoproteinprofils und der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren deshalb nicht auf die Steigerung der körperlichen Fitness (VO2max) ausgerichtet sein, sondern auf die Zunahme der körperlichen Aktivität als Maß für den erhöhten Freizeit-Energieumsatzes zielen (6).
Die Aktivierung des aeroben Stoffwechsels und der damit verbundene Mehrumsatz von Sauerstoff sind die primär veränderten Regulationsgrößen für die im Gesundheitssport eingebrachte körperliche Belastung. So werden auch zur Gewichtsreduktion in Übereinstimmung mit den anerkannten, sportmedizinischen Intensitätskonzepten bevorzugt moderate Intensitäten im Bereich der aeroben Schwelle bevorzugt eingesetzt (3,6). Unter dieser Arbeitsintensität werden akut wie chronisch metabolische Effekte induziert, die für die Stoffwechsellage des Übergewichtigen von Vorteil sind. So werden bei Belastungsintensitäten im Bereich der aeroben Schwelle vor allem die oxidativ arbeitenden Muskelfasern (Typ-I Muskelfasern, ST-fibers) rekrutiert (4,29). Durch die Translokation von Glukose-Transport-Proteinen (GLUT-4) vom mikrosomalen Pool zur Zelloberfläche wird für diese auch die muskelzelluläre Glukoseaufnahme gesteigert (s.o.). Zusätzlich sinkt infolge der ?-adrenergen Inhibition der Insulinsekretion unter körperlicher Belastung der Insulinspiegel ab. Hierüber wird die Lipolyse im Fettgewebe begünstigt, das Angebot an freien Fettsäuren im Plasma erhöht und der Glukoseverbrauch der nicht-beanspruchten Muskulatur herabgesetzt. Von zusätzlichem Vorteil ist die gleichzeitige Aktivitätserhöhung der peripheren, endothelständigen wie auch intrazellulären Lipoproteinlipase (LPL) in der oxidativ arbeitenden Typ-I-Muskelfaser zu (10). Als Folge der gesteigerten LPL-Aktivität können jetzt auch Triglyzeride aus zirkulierenden VLDL-Partikeln und Triglyzeride aus den intramuskulären Speichern (IMTG) hydrolisiert und in die muskelzelluläre ß-Oxidation miteingeschleust werden (Abb.1) (4,16,35). Bezogen auf die muskuläre Energiebereitstellung kann so nach einer Arbeitsdauer von ca. 30 Minuten eine optimale Nutzung von Lipiden im arbeitenden Muskel erwartet werden. Fettsäuren, die wie Palmitinsäure bei diesen Belastungszeiten vor allem aus dem Fettgewebe, aber zu messbaren Anteilen auch aus den zirkulierenden Lipoproteinen und den intramuskulären Triglyzeridspeichern mittels Hydrolyse freigesetzt werden, stellen jetzt das energetisch bevorzugte Substrat für die mitochondriale Energiebereitstellung des Muskels dar (14,16,35).
Folge der so erreichten metabolischen Anpassung ist unter anderem auch der Mehrbedarf von freien Fettsäuren zur Wiederauffüllung der muskulären Triglyzeriddepots in der Regenerationsphase und die damit verbundene Senkung der Plasmatriglyzeride bzw. die Verringerung des Triglyzeridgehalts in den zirkulierenden Plasmalipoproteinen (VLDL). Die verbesserte Fettsäureoxidation und trainingsinduzierte Veränderung in der Verteilung und Komposition des Fettsäurepools erscheint aus Sicht des gesundheitsorientierten Sports deshalb besonders wichtig, da eine veränderte Fettsäurezusammensetzung im Plasma und in den Membranphospholipiden der Skelettmuskulatur als peripherem Effektororgan der Insulinantwort als pathogenetische Ursache an der Entstehung der peripheren Insulinresistenz und des metabolischen Syndroms mitbeteiligt ist (6,33).
Es kann also davon ausgegangen werden, dass Ausdauer-orientierte körperliche Aktivität mit bevorzugter Nutzung der ß-Oxidation den Umsatz der intra- und extramuskulären Triglyzeride beschleunigt und auch beim Übergewichtigen den Anteil der Körpermasse zu Gunsten der Muskulatur und zu Lasten des Fettanteils günstig beeinflusst (6,30). Dies hat entscheidende Konsequenzen für die Ausprägung der Risikofaktoren, die das Übergewicht begleiten und in seinem Krankheitsausmaß bestimmen: Hyperinsulinismus, periphere Insulinresistenz und Hypertonie, verminderte periphere Ansprechbarkeit auf Katecholamine und Androgene, erhöhter Anteil an atherogenen Partikeln der Low Density Lipoproteine, vermehrte Lipidperoxidation (6,8,18,19,22,28). Zudem werden über die Trainingsanpassung anders als bei alleiniger Gewichtsabnahme über Kalorienrestriktion auch die antioxydative Regulation wie auch die Endothelfunktion und immunologische Folgereaktionen (z.B. die Sekretion von Cytokinen und Adhäsionsproteinen) günstig beeinflusst.