Hi Eisenbaer,

meines Erachtens ist es ein Fehler, zwei Studien zu lesen und daraus ein allgemeines Urteil fällen zu wollen.
Abgesehen davon ging es hier ja nicht um verschiedene Makronährstoffrelationen, sondern um das GI-Konzept. Dabei empfehlen die meisten GI-Befürworter nach wie vor eine kohlehydratreiche und moderat fettarme Ernährungsweise.
Und bereits die Ausführungen von Brand-Miller et al. sind m.E. ein ausreichender Grund, um den GI als "Ernährungstool" ernst zu nehmen. Dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist bzw. die erwarteten positiven Effekte möglicherweise auch nur gering ausfallen, sollte nicht davon abhalten, dem GI-Konzept eine Chance zu geben.
Da Du nun aber die Frage der Makronährstoffzusammensetzung angesprochen hast, möchte ich auch drauf noch einmal kurz antworten.
Dazu möchte ich ein wenig differenzieren:
1. In gewisser Weise stimme ich mit Dir überein, dass man über die Makronährstoffzusammensetzung allein unter bestimmten Umständen nur wenig am Endergebnis drehen kann. Hier gibt es immer unzählige Regulationsmechanismen, die das System letztendlich wieder ins Gleichgewicht bringen, so dass der Nettoeffekt möglicherweise minimal ausfällt. Das ist z.B. auch ein (weiterer) Grund dafür, warum ich in der klassischen Atkinsdiät keine wirklich fruchtbare Alternative sehe (zumal diese Diät aufgrund der zu starken Glycogendepletion und der Vernachlässigung weiterer anaboler Faktoren vor allem bei Sportlern tendenziell wohl eher kontraproduktiv wirkt). Meines Erachtens ist es erst der zyklische Ansatz, der eine solche Alternative darstellt (hier kommt also zusätzlich noch die Dimension des Nährstofftiming hinzu). Der zyklische Ansatz ist ein theoretisch fundiertes Konzept (aufbauend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen), welches sich - zumindest nach meiner Erfahrung - in der Praxis bewährt hat. Eine solche Sachlage mag aus wissenschaftlicher Sicht kritikwürdig sein, allerdings muss sich der experimentierfreudige Bodybuilder in vielerlei Hinsicht mit einer solchen Sachlage zufrieden geben.
2. Gleichzeitig halte ich die pauschale Behauptung, dass man über die Makronährstoffzusammensetzung keinerlei Einfluss auf die Körperzusammensetzung habe dennoch für fragwürdig. Der Effekt mag bisweilen zwar mehr oder weniger gering ausfallen - das ist vollkommen klar. Hier geht es eben aber auch um geringe Effekte.
Die Behauptung ist schon im Hinblick auf die Proteinzufuhr eindeutig falsch. Uns ist sicher allen klar, dass Variationen in der Proteinzufuhr mitunter sogar sehr deutliche und große Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung haben können.
Aber auch was die verbleibenden Makronährstoffe angeht, halte ich Deine Behauptung in dieser pauschalen Form für fragwürdig, wenngleich dies natürlich ein Thema ist, was bisher eben in keiner Weise als befriedigend geklärt gelten kann.
Dabei muss man zusätzlich verschiedene Dinge berücksichtigen:
Erstens muss man sich im Bezug auf wissenschaftliche Studien fragen, welche Probanten über welchen Zeitraum untersucht wurden. Man muss sich klar sein - und da sind wir uns einig - dass die ganze Geschichte eine Rechnung mit unzähligen Unbekannten ist. Aber genau dies macht es auch nötig, eine gewisse Experimentierfreude an den Tag zu legen. Und gerade weil auch Faktoren wie Genetik, Art und Volumen des Trainings, Körperfettgehalt ect. eine modulierende Rolle spielen, macht es im Hinblick auf die Frage nach der optimalen Ernährung m.E wenig Sinn, jeder Person, das gleiche starre Diätschema zu verordnen.
Nun zu eigentlichen Frage, welche ich nur kurz unter Berücksichtigung der Fachliteratur angehen möchte (wobei ich für mich weder beanspruche, diese in umfassender Weise zu kennen noch glaube, diesbezüglich ein endgültiges Urteil fällen zu können): Sieht man sich hier ein wenig um, wird man zwar mannigfaltige Meinungen und widersprüchliche Daten finden - aber dennoch gibt es Hinweise dafür, dass die "Carb-Management-Hypothese" durchaus - zumindest unter bestimmten Bedingungen - Sinn machen kann. Vorausschicken möchte ich aber eine Stellungnahme von Jeff Volek, welcher darauf hinweist, dass zu diesen Themen noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist [1].
Research is far from clear in determining the ideal macronutrient distribution for weight loss and weight maintenance and the safety/efficacy and advantages/disadvantages of the diverse approaches to weight control promoted in the lay press. Commercial weight-loss diets vary from ultra low low-fat (Ornish; Pritikin) to ultra low-carbohydrate (Atkins) and everything in between.
(...)
Despite the importance of this issue, surprisingly few randomised clinical trials have examined the impact of diets differing in macronutrient composition on weight loss and maintenance.
(...)
[An] issue not adequately addressed in previous research is whether fat restriction affects the composition of weight loss. In a meta-analysis, Garrow and Summerbell [40] predict from regression analysis that for a weight loss of 10kg by dieting alone the expected loss of fat mass is 71% (...)
Whether fat restriction per se affects the composition of weight loss was not specifically addressed in the meta-analysis, but there is some indication that composition of weight loss might be more favourable with a diet higher in protein or lower in carbohydrate.
Zu einem ähnlichen Fazit kommt Kevin Acheson im Curr Opin Clin Nutr Metab Care [2]:
Where obesity is concerned almost everyone, whether scientist or layperson, has a pet hypothesis on ist aetiology, prevention and cure. There are many possible macronutrient paradigms that work for some, but not for others, and consequently it is possible to find arguments in the scientific literature for or against any particular diet. However, from this non-exhaustive review, and other literature that has not been cited, a common theme did appear to emerge among diets that have been successful for reducing body weight and/or improving cardiovascular risk factors. Although apparently disparate in description, (such as low-carbohydrate; high-protein; low-glycaemic index; ketogenic), many of the diets do have something in common and that is a carbohydrate/protein ratio less than 2, which Layman et al.[27] consider to be essential for partitioning weight loss towards body fat.
Zur eigentlichen Frage: Es gibt, wie schon angedeutet, sehr wohl Hinweise dafür, dass "Carb-Control-Diäten" unter Umständen die Körperzusammensetzung günstig beeinflussen.
Hier gibt es z.B. Studien, welche nahe legen, dass die Gewichtsabnahme während solcher Diäten zu einem größeren Teil aus Fett besteht [3]. Bereits in der 70ern führten z.B. Young et al. eine kleine Studie durch, die dies bestätigte. Die bekannte Volek-Studie von 2004 deutet auch darauf hin, dass die Makronährstoffzusammensetzung eine Rolle spielt (wenngleich kritisch anzumerken ist, dass in der Volek-Studie auch an der Proteinzufuhr gedreht wurde). Im übrigen ist vielleicht einmal anzumerken, dass die Behauptung, LC-Diäten würden praktisch nur Wasser ausscheiden als widerlegt gelten kann [3]:
It is frequently claimed that additional weight loss with low-carbohydrate diets is entirely explained by dehydration.
However, the classic study by Rabast et al. demonstrated that alterations in the water and electrolyte balance observed during the lowcarbohydrate diets are reversible phenomena and should thus not be regarded as causal agents of the different weight reduction. Also, the modern studies that measured body composition by dual-energy X-ray absorptiometry did not find any indication of excessive reduction in lean body mass. Thus, the greater weight loss is attributable to fat loss.
Aufgrund der Tatsache, dass Studien an Menschen immer mit verschiedenen methodischen Schwierigkeiten verbunden sind, macht es hin und wieder auch Sinn, Rattenstudien in Betracht zu ziehen. Eine interessante Studie, auf welche ich schon mehrfach hingewiesen habe, ist dabei die Studie von McCargar et al. welche zu dem Ergebnis kam, dass die Makronährstoffverteilung einen sehr deutlichen Einfluss hatte.[4]
Möglicherweise kann die Makronährstoffverteilung sogar die Körperfettverteilung beeinflussen. So kommt z.B. eine Studie von Volek et al.[5] zu dem Ergebnis, dass LC-Diäten in stärkerer Weise das Fettgewebe im Rumpfbereich reduzieren.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin mir durchaus bewusst, dass es bei diesen Themen teilweise vollkommen konträre Studienergebnisse gibt. Aber ich glaube, dass die Erkenntnislage nicht ohne weiteres die Behauptung zulässt, dass Nutrient Partitioning-Effekte keine Rolle spielen.

Gruß

[1] Volek et al.: Diet and Exercise for Weight Loss. A Review of Current Issues. In: Sports Med 2005; 35 (1): 1-9.

[2] Acheson: Carbohydrate and weight control: where do we stand? In: Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2004; 7:485-492.

[3] Manninen: Is a calorie really a calorie? Metabolic advantage of low-carbohydrate diets. In: Journal of the International Society of Sports Nutrition. 1(2):21-26, 2004.

[4]McCargar et al.: Influence of dietary carbohydrate-to-fat ratio on whole body nitrogen retention and body composition in adult rats. J Nutr. 1989 Sep;119(9):1240-5. [abstract]

[5] Volek et al.: Comparison of energy-restricted very low-carbohydrate and low-fat diets on weight loss and body composition in overweight men and women. In: Nutrition & Metabolism 2004, 1:13.

PS: Zum GI allgemein schreibe ich hier spräter noch etwas: http://www.bbszene.de/board/viewtopic.php4?t=110675